Decision Support System DSS
Ausgangssituation
Kennzeichnend für Umweltüberwachungssysteme ist das Anfallen
einer Vielzahl von Daten, die zudem noch in komplexen Abhängigkeiten
zueinander stehen können.
Aufgabe der zuständigen Stellen ist es u.a., diese Daten auf Plausibilität
zu bewerten und sich einen Überblick über die aktuelle Lage zu
verschaffen, um rechtzeitig sinnvolle Maßnahmen und Empfehlungen
zu treffen oder Empfehlungen aussprechen zu können. Erschwerend kommt
hinzu, daß sich die aus den Daten ergebenden Fragen oft nur interdiziplinär
lösen lassen.
Anforderungsprofil
GISCO hat es sich zur Aufgabe gemacht, entscheidungsunterstützende
Systeme nicht losgelöst und eigenständig zu betrachten, sondern
ganzheitlich in einem System zu integrieren, sofern die Problemstellung
es erfordert. Jedes Problem wird mit den Hilfsmitteln gelöst, die
wirtschaftlich und technisch am sinnvollsten sind. GISCO nutzt dabei vorhandene
Informations- und Verarbeitungssysteme und baut diese durch intelligente
Komponenten weiter aus. Ziel ist, die mit Umweltfragen befaßten Mitarbeiter
zu unterstützen, so daß die Qualität der Arbeit weiter
gesteigert werden kann. Durch Entlastung von Routineaufgaben wird Zeit
geschaffen für neue Aufgaben und für die Problemfälle. Eine
zwanzigjährige Erfahrung im Bereich der Umweltinformatik sind die
Grundlage für ein breites Anwendungs-Know How.
In Krisensituationen werden die Beurteilung der Lage und Entscheidungsfindung
oftmals noch dem Menschen allein überlassen, ohne ihn durch geeignete
Informationsaufbereitung zu unterstützen. Situationen, die ein rasches
Eingreifen erfordern, sind gekennzeichnet durch hohe psychologische Belastung
und zeitlichem Druck. Um die Belastung der mit der Aufgabe befaßten
Mitarbeiter zu senken und die Qualität weiter zu erhöhen, hat
die GISCO in Zusammenarbeit mit der NAZ das DSS entwickelt. Dieses System
unterstützt die grundsätzlichen Phasen der Entscheidungsvorbereitung,
wie Lagebeurteilung und Generierung von Alternativen, sowie Phasen der
Entscheidungsfindung.
Das DSS stellt einerseits Module zur Verfügung, die generell für
entscheidungsunterstützende Systeme verwendet werden können,
anderseits stellt es für Systemteile, die nicht generaliserbar sind,
einen Rahmen dar, in den die bestehenden Modelle oder Informationen integriert
werden können. Beispielsweise sind die sich bietenden Alternativen
bei radioaktiven Unfällen andere als bei anstehenden politischen oder
wirtschaftlichen Entscheidungen. Die Aufteilung in generelle Module und
Rahmen ist notwendig, weil die Anforderungen an entscheidungsunterstützenden
Systemen sehr variieren, aber die grundlegenden Vorgehensweisen gleich
sind. Im Folgenden soll anhand eines konkreten Beispiels (radioaktive Kontaminations
von Nahrungsmitteln) die Vorgehensweise erläutert werden.
Durch die Vorgehensweise im DSS ist gewährleistet, daß Entscheidungen
transparenter, nachvollziehbarer, schneller und besser herbeigeführt
werden. Wesentlich neben der Transparenz (Darstellung gegenüber der
Öffentlichkeit) ist die Qualität und Schnelligkeit der Entscheidung.
Wichtig für die Akzeptanz und Kontrolle sind entsprechende textliche
und graphische Visualisierungen der Lage und der Wirkung der Maßnahmen.
Die Vorgehensweise gliedert sich in
-
Lagebeurteilung,
-
Maßnahmensuche (Alternativensuche),
-
Simulation der Wirkung der Maßnahmen,
-
Maßnahmenbewertung und
-
Kontrolle des Zielerreichungsgrades.
DSS
Eine radioaktive Kontamination kann je nach Freisetzungsrate und Nuklidzusammensetzung
für den Menschen und seine Lebensgrundlagen eine ernsthafte Bedrohung
darstellen. Das Ausmaß dieser Bedrohung kann jedoch durch ein rasches
und gezieltes Eingreifen des verantwortlichen Krisenmanagements verringert
werden. Die GISCO hat in diesem Zusammenhang in Verbindung
mit der Sektion Nationale Alarmzentrale, Zürich ein Basissystem für
eine computergestützte Entscheidungshilfe, genannt Decision Support
System - Verstrahlte Nahrungsmittelkette (DSS), zur Evaluierung und Bewertung
von Maßnahmen im Bereich Ernährung entwickelt. Das Decision
Support System enthält die wichtigsten Informationen zur Bestimmung
von Maßnahmen, die eine Reduktion der Ingestionsbelastung bewirken
und das Krisenmanagement bei der Entscheidungsfindung unterstützen.
Dieses Basissystem unterstützt die grundsätzlichen Phasen der
Entscheidungsvorbereitung, wie Lagebeurteilung und Generierung von Maßnahmen
zur Reduzierung der Ingestionsdosis, sowie Phasen der Entscheidungsfindung.
Das DSS ist ein zweistufiges Entscheidungsunterstützungssystem,
das sowohl die technischen als auch die politischen Experten unterstützt.
Das DSS dient der Entscheidungsunterstützung bei der Findung und
Bewertung von effizienten Maßnahmen bei radioaktiven Freisetzungsprozessen.
Die in diesem Projekt verwendeten Verfahren und Methoden lassen sich generell
auf Entscheidungsprozesse anwenden.
Lagebeurteilung
Bei Eintreten von Ereignissen, Tschernobyl ist das wohl bekannteste Beispiel
im Bereich der Radioaktivität, lösen Monitoringsysteme eine Alarmierung
aus. Diese Systeme erlauben aber keine Aussage über Wirkungen und
Gefährdungsgrad des Ereignisses. Dessen Beurteilung und die Prognose
seiner Auswirkungen ist der erste Schritt im DSS. Dieser Prozeß,
Lagebeurteilung genannt, stellt anhand von Meßwerten oder Informationen
die räumliche und zeitliche Auswirkung des Ereignisses fest, um die
Fragen, welche Gefährdung vorliegt und mit welcher Priorität
zu handeln ist, zu klären. Dazu werden im DSS die Meßwerte und
Wetterdaten einem Prognosemodell, welches die Dosisbelastung für die
verschiedenen Bevölkerungsgruppen berechnet, unter Berücksichtigung
der Nahrungsmittelketten, der Ernährungsgewohnheiten etc. zugeführt.
Für ein anderes DSS sind die entsprechenden Informationen und die
zugehörigen Modelle leicht einzufügen.
Alternativensuche
Nach der Lagebeurteilung ist die Frage nach der Prioritätensetzung,
mit der gehandelt werden muß, beantwortet. Nun müssen Handlungsalternativen
gesucht werden, die die Gefährdung verringern bzw. beseitigen können.
Maßnahmengenerierung
Im DSS-VNK werden aufgrund der prognostizierten Daten alle Maßnahmen
generiert, die physikalisch und technisch möglich sind. Dem System
sind derzeit 2000 Regeln bekannt, die auf ihre Anwendbarkeit in einer konkreten
Lage untersucht werden. Die möglicherweise hohe Anzahl von vorgeschlagenen
Maßnahmen kann durch das Kriterium Effektivität eingeschränkt
werden. Zu diesem Zweck ist ein Regelwerk und ein Suchalgorithmus implementiert.
Das Regelwerk ist selbstverständlich applikationsspezifisch, der Suchalgorithmus
ist eines der Module, die Bestandteil des DSS sind.
Spezifikation
Im nun folgenden Schritt sind für die in Frage kommenden Maßnahmen
die Parameter zu bestimmen. Die Spezifikation der Parameter erfolgt je
nach Maßnahme durch eine einfache Simulation oder durch Starten des
Prognosemodells mit den für diese Maßnahme gültigen Parameter.
Hiermit ist eine erste interaktive Kontrolle des Erfolges einer Alternative
gegeben.
Beurteilung der Maßnahmen
Das Modul Maßnahmenbeurteilung ist allgemein verwendbar und wird
mit zwei Algorithmen ausgeliefert. Die Anpassung auf andere Kriterien erfolgt
durch Parameterdateien. Nachdem für die Gefährdungslage die anwendbaren
Alternativen gefunden wurden, müssen nun die besten Alternativen ausgewählt
werden. Zur Unterstützung der Entscheidungsfindung wurde ein MCDA-Verfahren
(MCDA- Multi Criteria Decision Aid - Multikriterien-Entscheidungshilfe)
eingesetzt. Dieses numerische Verfahren wertet die durch die Rangfolge
der jeweiligen Alternativen innerhalb der einzelnen Kriterien (z.B. Kosten,
Wirkung, Akzeptanz, Durchführbarkeit ...) gegebenen gegenseitigen
Vorteils- bzw. Nachteilsbeziehungen der zu den einzelnen Kriterien gehörigen
Gewichte untereinander aus.
Das Ergebnis ist eine unter den vorgegebenen Gewichten der einzelnen
Kriterien optimale Rangfolge aller Maßnahmen untereinander. Außerdem
liefert das MCDA-Verfahren eine Aussage über die Stabilität des
Ergebnisses in dem Sinne, daß für jedes einzelne Kriterium ein
Intervall angegeben wird, in dessen Grenzen das zugehörige Gewicht
variiert werden kann (unter der Annahme, daß die anderen Gewichte
konstant gehalten werden), ohne daß dies einen Einfluß auf
das Ergebnis hat. Damit kann der Einfluß, der ja doch mehr oder weniger
subjektiven bzw. intuitiven Vergabe der einzelnen Gewichte, auf das Auswahlergebnis
abgeschätzt werden.
Eine Bewertung von Alternativen ist selbst dann möglich, wenn keine
quantitativen, sondern nur qualitative Angaben vorliegen.
Zur Darstellung der Stabilität einer Lösung werden in der
Stabilitätsanalyse des DSS für jedes Kriterium Gewichtungsintervalle
berechnet. Innerhalb dieser Intervalle bleibt die in der Multikriterienanalyse
ermittelte Reihenfolge der Maßnahmen stabil. Zur Beurteilung von
Maßnahmen muß der Benutzer diese nach bestimmten Kriterien
bewerten. Im DSS sind diese Kriterien in 2 Gruppen eingeteilt:
Technische Kriterien:
-
Dosisreduktion technisch
-
Radioaktiver Abfall
-
Versorgungssicherheit
-
Durchführbarkeit
Politische Kriterien:
-
Dosisreduktion politisch
-
Kosten
-
Akzeptanz
-
Konsistenz